Die aktuelle Situation an den Finanzmärkten zeigt eine historische Dichotomie zwischen den Erwartungen der Zinsmärkte und der Märkte für riskante Vermögenswerte. Die staatlichen Zinskurven zeigen eine Rezessionswahrscheinlichkeit von ca. 90% innerhalb eines Jahres an, während die niedrigen Risikoprämien für riskante Vermögenswerte (Aktien, Kredite) eine Wahrscheinlichkeit von ca. 15% implizieren.
Die Wirtschaftsdaten hingegen deuten auf eine Rezessionschance von etwas weniger als 1:2 hin (siehe Abbildung 15).
Was die Geldpolitik betrifft, so erwarten die Märkte von der Fed eine starke und schnelle Lockerung der Geldpolitik, ähnlich wie im Vorfeld von Rezessionen oder bei großen Finanzkrisen. Die EZB hingegen, die sich mehr um die Inflation sorgt und mit einem immer noch starken Arbeitsmarkt konfrontiert ist, wird voraussichtlich einen graduelleren Ansatz beibehalten (siehe Abbildung 16).
Bei Unternehmensanleihen dürften die Spreads in Grenzen bleiben, solange sich die wirtschaftlichen Fundamentaldaten nicht verschlechtern und sich die Bedingungen für Bankkredite weiter verbessern. Obwohl das Potenzial für einen weiteren Rückgang der Spreads begrenzt ist, bleiben die Renditeniveaus attraktiv.
An den Aktienmärkten scheint das kurzfristige Aufwärtspotenzial begrenzt zu sein. Zunächst einmal könnten die bevorstehenden Wahlen in den USA und die wirtschaftlichen Unsicherheiten zu einer gewissen abwartenden Haltung führen. Darüber hinaus scheint der Markt bereits ein sehr günstiges Szenario eingepreist zu haben, das wenig Raum für unangenehme Überraschungen lässt.
Die Bewertungen in den USA sind bereits sehr hoch, insbesondere im Technologiesektor, wo die Aktien sehr hohe Multiplikatoren aufweisen. Dies ist nicht nur auf diesen Sektor beschränkt, denn auch der übrige US-Markt weist ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 18 auf (siehe Grafik 17).
Darüber hinaus erwarten die Analysten, dass sich das Gewinnwachstum in den kommenden Monaten deutlich beschleunigen wird, mit einem erwarteten Anstieg von etwa 15% im Jahresvergleich sowohl in Europa als auch in den USA (siehe Abbildung 18). Damit sich dieses Wachstum der Unternehmensgewinne materialisieren kann, müssten sich die wirtschaftlichen Bedingungen jedoch deutlich verbessern, mit einem stärkeren Wachstum als derzeit.
Vertragsabschluss
Die Entwicklung der US-Wirtschaft bleibt eine zentrale Herausforderung für die Finanzmärkte und befindet sich an einem Scheideweg.
Wenn sich die Arbeitslosenquote in den nächsten Monaten stabilisiert, bedeutet dies, dass die Federal Reserve ihr Soft Landing erfolgreich abgeschlossen hat. In einem solchen Szenario würden die Aktienmärkte über ein Performance-Potenzial verfügen, das mit dem Wachstum der Ergebnisse zusammenhängt. Die Erwartungen an eine weitere Lockerung der Geldpolitik müssten jedoch zurückgenommen werden, was die langfristigen Zinsen wieder ansteigen lassen würde.
Wenn die Arbeitslosenquote weiter steigt, bedeutet dies, dass sich die US-Wirtschaft stark verlangsamt und eine Rezession droht. In einem solchen Szenario müssten die Aktien- und Kreditmärkte sinken, um diese Verschlechterung der Aktivität einzupreisen. Angesichts der bereits hohen Zinserwartungen scheint das Potenzial für einen Rückgang der langfristigen Zinsen begrenzt zu sein.
Die Geschichte spricht für einen weiteren Anstieg der Arbeitslosenquote, aber die Post-COVID-Wirtschaft könnte weiterhin für Überraschungen sorgen. Daher ist eine Portion Pragmatismus erforderlich und die nächsten Daten könnten die Debatte entscheiden.